Kette rechts - Fahrradtour durch Russland
 
Freitag, 19. April 2024
Von Krasnojarsk ab Richtung Osten PDF Drucken E-Mail

30. Juni 2008, Severobaikalsk

 

 

Endlich am Baikalsee! Es ist wirklich wunderschoen hier. Die Fahrt hierher ist schnell erzaehlt: Einen Pass und den bisher hoechsten Punkt der Reise durfte ich ueberwinden (knapp 1000m hoch) und ich wurde von Gleisarbeitern mal wieder auf die lauernden Baeren verwiesen. Kurz hinter dem Pass kommt ein kleines Staedtchen namens Goudzekhit wo es Thermalquellen und eine Gastiniza gibt. Ich uebernachte in der Gastiniza. im 4 Bett Zimmer von denen aber nur eines von einem aelteren Russen (Nikolaj) belegt ist der unter ziemlich uebler Polioartristis leidet und der sich von den Quellen Linderung verspricht. Meinem Russisch tat das ganz gut, ich merke allerdings immer recht schnell dass ich noch ueberhaupt keinen blassen Schimmer von der Sprache hab. Vor der Weiterfahrt ins nun nur noch 35 km entfernte Severobaikalsk musste ich an meinem Hinterrad 7 Speichen austauschen die allesamt gebrochen waren. Weiterfahren waere unmoeglich gewesen. Ich hab jetzt fuers Hinterrad nur noch 8 Speichen, ich hoff mal die langen...

 

Bilder und weiter Geschichtchen dieses Reiseabscnitts liefer ich mit dem naechsten Update...

 

Anmerkung der Redaktion: Der alte Russe hat sein Problem mit der Polioarthritis auf eine sehr russische Art und Weise gelöst: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,563037,00.html

 

 


 

23. Juni 2008, kurz nach Inja

 

 

Ich hab meinen bisher schoensten Campingplatz gefunden, an dem ich gleich noch einen Ruhetag dranhaenge. Der Platz liegt direkt neben einem kleinen Fluss, fast wie in Schweden. Allerdings ist gerade Hochwasser und die Stroemung in viel zu stark als dass ich irgendwas fangen koennte. Immerhin gelinbgt es mir einen Blinker in eine Tanne zu werfen... ich hab ja noch ein paar dabei. Die Fahrt hierher war eigentlich ganz ok. Es ging oft bergauf und bergab und ich hatte relativ viel Regen, bei allerdings angenehmen Temperaturen und g.uten Strassenverhaeltnissen. Zwei Drittel der Strecke von Bratsk nach Ust Kut sind Asphalt, Rest Schotter.

Bratsk konnte man schon 30 km vorher “riechen”. Eine recht unansehnliche Industriestadt die ich schnell passierte, auf einer schoen ausgebauten autobahnaehnlichen Strasse. Kurz nach Bratsk kommt dann eine kleine Stadt, Energetik, benannt nach dem riesigen Wasserkraftwerk das mit der an dieser Stelle aufgestauten Angara betrieben wird. Energetik wird mir aus zwei Gruenden im Gedaechtnis bleiben. Ersten als Vorstadt des Bratsker Staudamms, der wirklich riesig ist und zeitweise der groesste Staudamm der Welt war. Der Hoover Dam ist gegen das Teil ein kleiner Biberbau. Der Damm ist 2 km lang und ueber 100m hoch. Der Stausee dahinter erstreckt sich ueber hunderte Kilometer, das Wasser ist bis zu 400m tief.

Der zweite Grund ist der Besuch bei einem Metzger, bei dem ich eigentlich nur eine Wurst kaufen wollte. Im Laden fragt mich ein junger Familienvater nach dem woher und wohin. Er fragt ob er seinem kleinen Sohn mein Rad zeigen kann wahrend ich drinnen einkaufe. Als ich dann wieder rauskomme, stehen bereits 5 Leute um mein Rad und bestaunen die Getriebenabe und die ganze Beladungskonstruktion. Ich denk ich hoer nicht recht als mich dann nach ner Weile eine aeltere Dame nach einem Autogramm fragt. Ich dachte zuerst die will meine Adresse oder Telefonnummer. Nein, sie will ein Autogramm. Von da an denken wohl alle Umstehenden ich sei irgendjemand Bekanntes und ich muss, kein Witz, vor dem Ortsmetzger in Energetik, direkt an der Hauptstrasse, 6 jungen Damen ein Autogramm geben. Jede Russin scheint fuer solche Faelle uebrigens ein Notizbuch dabeizuhaben. Also ich fuehl mich ja echt geehrt, darf mich wiederholt als “Held” bezeichnen lassen und die bewundernden Blicke der russischen Damen geniessen. Meine Reuckkher nach Konstanz stell ich mir ungefaehr genauso vor...es muessen nicht unbedingt Russinen sein, bin flexibel. Als ich dann weiterfahre winken mir alle noch ganz nett hinterher. Wirklich, die versteckte Kamera hab ich nirgendwo gefunden.

Am naechsten Tag, irgendwo im Schotter nach Bratsk treff ich dann auf Vitali einen LKW-Fahrer der gerade Pinkelpause macht. Nach dem ueblichen woher und wohin trennen sich unsere Wege, zuvor laedt er mich allerdings noch ein mit ihm mitzufahren weil er eh grad nach Ust-Kut faehrt und ziemliches Sauwetter ist. Da ich nur in Notfaellen nicht mit der Bahn fahren will muss ich das Angebot dankend ablehnen auch wenn mir das 3 Tage erspart haette.

Nur 2 Stunden spaeter. Ein Lada ueberholt mich und legt kurz danach eine Vollbremsung hin. Es steigen zwei angetrunkene Russen mit Bierdosen in der Hand aus und fragen mich ebenfalls nach dem Woher und Wohin. Ich bekomme eine Einladung zu ihnen nach Haus in Ust-Kut, Zigraetten und einer der beiden will mir sogar 300 Rubel schenken. Unglaublich das alles.

Wieder einen Tag spaeter Treff ich Sputaj, einen Ingenieur von Transneft (die mit dem Gas) der mich ebenfalls einlaedt. Ich verstehe ihn nicht ganz genau, hoere nur etwas von Wald, Banja und Essen. Bzw. ich hoer nicht sondern Sputaj legt eine kleine Karte mit Erklaerungen an. Direkt auf dem Weg nach Ust Kut soll ich dann bei ihm vorbeischauen. Ich beschliesse das auch zu tun und hoffe insgeheim auf ein Feriendorf zu treffen, eine Gated Community fuer betuchte Russen die so ne Art All Inclusive Resort mitten in der Taiga haben, mit Dampfbad, Sauna, Restaurant und was weiss ich alles.

Auf dem Weg dorthin treff ich an der bisher uebelsten Steigung wieder auf Vitali der gerade aus Ust-Kut zurueckkommt und in Richtung Bratsk unterwges ist. Ist echt ein netter Kerl und er versucht mich wieder zu ueberreden dass ich das mit dem Rad gefaelligst lassen soll und lieber mit ihm am Bratsker See angeln gehen soll.

 

Ja, also mein Ferienerholungsdorf war dann in Wirklichkeit eine Containersiedlung von Pipelinebauern mitten im wachsweichen Taigamatsch. Allerdings mit (Container-) Kantine und Banja. Und mit Holzplanken um ueberhaupt von Container 1 zu Container 2 gelangen ohne als Mumie zu enden. Als ich dort ankomme haben die Arbeiter natuerlich von nix ne Ahnung. Turist? Hier???? Kopfschuetteln. Ich reiche Sputajs handgemalte Karte durch die Reihen und sage immer nur “Sputaij”. Die Chefin der Kolonne erklaert mir dann das S. irgendwo in der Pampa, 300km von hier steckt und die naechsten Tage nicht kommen wird. Ich soll aber trotzdem mal da bleiben und wenn ich will kann ich ja in die Banja. Das lass ich mir natuerlich nicht entgehen. Das beste an der Banja war dass ich dort meine Sachen waschen durfte, die wirklich vor Dreck standen. Uebernachtet hab ich dann aber doch lieber in Zelt als in einem der Container. Ausserdem hab ich der Banja meine ersten russischen Baeren live gesehen, siehe Bilder.

 

Die Arbeiter dort haben uebrigens immer eine 4 Wochen Schicht in der ununterbrochen gearbeitet wird und anschliessend 4 Wochen frei. Die meisten wohnen weit im Westen Russlands, Uralgebiet. Ich hoer  zuhauf Gruselgechichten von Monsterbaeren denen diverse Kollegen auf ziemlich schaurige Art und Weise zum Opfer gefallen sind. Ich deute die Groesse der Baerenspuren an die ich bei Sosnovka gesehen hab und werd muede belaechelt. Insgsamt raeumt man mir eine 50%ige Ueberlebenschance ein heil durch die Taiga zu kommen. Immerhin!

 

 

Am naechsten Tag erreiche ich Ust-Kut das ich ebenfalls schnell passiere. Ust-Kut liegt an der Lena die an dieser Stelle bereits etliche hundert Meter breit ist. Man kann von hieraus auch mit dem Schiff bis nach Yaktusk fahren.

Ich frage in der oertlichen Gastiniza ob sie Internet haben, was natuerlich mit Kopfschuetteln beantwortet wird  und dann fahr ich weiter. Ich schlafe lieber im Zelt draussen im Wald als in irgendeinem Hotel wo mir Nachts staendig die Muecken um die Ohren und die Zimmernachbarn durch die Waende schnarchen. Auf dem weiteren Weg nach Magistralny ueberwindet die BAM kurz hinter Ust-Kut einen ersten kleineren Pass, insgesamt geht es 13 km sanft bergauf. Nach diesem Anstieg folgt die Strecke allerdings diversen Fluessen, sodass ich die naechsten Tage ziemlich gut vorankommen sollte...

 

Exkurs III: Birken

 

Wo Birken sind, sind im sibirischen Sommer Muecken. Viele Muecken. Man sollte also Birken meiden. Das ist aber leider unmoeglich weil halb Sibiren aus Birken besteht. Birken lieben Wasser genauso wie Muecken, Beide bilden ein Symbiose. Die Muecken singen die Baeume in den Schlaf bzw. Erzaehlen ihnen Gute-Nacht Geschichten und das Neuste aus aller Welt. Und die Baeume spenden den Muecken tagsueber Schatten, bewahren die Feuchtigkeit und locken, als Beute, arglose Trottel dazu, unter ihnen zu uebernachten oder nach Pizen oder Beeren zu suchen.

Die Birkenwaelder sind uebrigens die urspruengliche Heimat der Dalmatiner. Ein Dalmatiner im Birkenwald ist fast unsichtbar! Aufgrund dessen wurde diese Hunderasse erst vor 50 Jahren ueberhaupt entdeckt.

Birkenholz wiederum, gut getrocknet,  ist die beste Basis fuer ein knisterndes Feuer mit dem man Schaschlick grillen und die eine oder anderen Muecke verdampfen kann. Birken haben also gute und schlechte Seiten wobei die guten ueberwiegen weil der sibirische Sommer ja nur 3 Moate dauert und die Muecken mit dem einsetzten der ersten Nachtfroeste Ende August verschwunden sind.

 

 Image

Bild Fahrn Fahrn Fahrn auf der Autobaaaahn, bei Bratsk

 

Image 

Bild Staudamm Bratsk bzw Energetik

 

Image 

Bild Eine ganze Horde von Baeren die sich geschickt als Kuehe getarnt haben

 

Image 

Bild Nette russische Baeren, frisch aus der Banja

 

Image 

Bild Noch ein Baer - ich weiss es nicht, auf jeden Fall die Chefin der Kolonne

 

Image 

Bild Die Lena bei Ust-Kut (im Hintergrund)

 

Image 

Bild Schoener Zeltplatz direkt am Fluss

 

Image 

Bild Sibirsche Schmetterlinge froenen ihrem Fetisch, dem Schnueffeln an weissen Radlerhosen

 

 

 


 

 

16. Juni 2008, vor Bratsk

 

 

Wie gesagt nach dem Gewitter wurde es deutlich kuehler und damit auch angenehmer. Taishet erreiche ich am 12. Juni und nutze die Gelegenheit meine Vorrate aufzufuellen. Ich hab mir vorgenommen, jedes mal etwas zu kaufen was ich davor noch nicht hatte, um dann wenigsten am Ende meiner Reise zu wissen was schmeckt und was nicht.

Taishet ist Startpunkt der legendaeren Baikal-Amur-Magistrale, einer Bahnstrecke die sich (4000?? km, lookup in wikipedia) durch die sibirischen Waelder und Gebirge zwaengt. Ihr werde ich die naechsten (paar ??? tausend) Kilometer bis Tynda folgen. Meist verlaeuft eine Strasse oder etwas aehnliches direkt neben den Gleisen oder zumindest nicht weiter als ein paar km entfernt. Die Magistrale verlaeuft grob gesagt parallel zur Transibirischen Eisenbahn, allerdings ein paar hundert km weiter noerdlich. In Wikipedia steht ziemlich viel lesenswertes zur BAM...

 

Bei meinem Einkauf in Taishet hatte ich besonderes Glueck, denn ein junger Russe steht ploetzlich neben mir und fragt mich in Englisch ob er mir helfen kann. Mit meinem Gestammel und wildem Gefuchtel vor den Verkaeuferinnen hab ich wohl sein Mitleid erregt. Die Verkauferinnen in diesem Laden waren sowieso nicht die freundlichsten, da war ich Juri wirklich dankbar. Er gibt mir auch noch ein paar Tips was ich probieren sollte aber das beste war, dass mich Sergejs Vater zum Vesper einlaedt als ich mit vollen Haenden den Laden verlasse. Wie sich herausstellt, haben Sergej+Vater mich schon vorher auf der Strasse ueberholt und die beiden haben zufaelligerweise dann im selben Laden eingekauft. Sie waren gerade fertig als ich den Laden betrat und haben spontan beschlossen mich ein wenig auszufragen woher ich den komme wohin ich fahre und was ich ueberhaupt so mache. Das Vesper wird standesgemaess auf der Kofferraumhaube eines Ladas gereicht. Ich erzaehle von meiner Transsibirienreise und beide kommen aus dem Staunen nicht mehr raus. Es faellt zum ersten mal das Wort “Maladjedz” das ich in den folgenden Wochen noch oefters hoeren sollte. Maladjedz heisst ungefaehr sowas wie “Prachtskerl”. Als mich der Vater auch noch als “Held” bezeichnet muss ich dann aber  wirklich Lachen.

Ich beschwere mich beilaeufig ueber die Muecken und dass meine Karten (ausgedruckte Google-Maps) nicht die besten sind und prompt bekomme ich ihre Strassenkarte geschenkt (die sich als seeehr hilfreich erweist) und der Vater marschiert nochmal in den Laden und kauft eine Tube Anti-Mueckengel extra fuer mich! Wahnsinn, ich bin von soviel Freundlichkeit und Offenheit ueberwaeltigt. Sich mit den besten Wuenschen verabschiedend fahren die beiden nach einer halben Stunde weiter und ich mach mich auf zum ersten echten abenteuerlichen Teil meiner Reise, den Weg von Taishet nach Bratsk entlang der BAM.

 

Die ersten km waren traumhaft: Sonnenschein, 25 Grad, Asphalt und Rueckenwind. Wirklich uebel war was dann nach ca. 200 km kommen sollte. Ich wusste ja schon vorher, dass mich in der Gegend um Sosnovka und Tareja schwierige Bedingungen erwarten wuerden und ich wurde dahingehend auch nicht enttaeuscht.

Die Asphaltstrasse wurde zur Sandpiste, die Sandpiste zur Dreckpiste, die Dreckpiste zur Matschpiste und die Matschpiste zur mueckenverseuchten, baerendurchstreiften, morastigen steil bergauf und absteigenden Schlammspur durch den Birkenwald. Ich bin an irgendner Abzweigung in einem Dorf das nicht mal auf Google-Maps eingezeichnet war zu weit nach links gekommen und hab nen schoenen Umweg ueber den hochsten Berg der Gegend, (die mich ueberall, egal wo ich bin magisch anzuzuiehen scheinen) auf dem die russische Armee einen Funkturm platziert hat, gemacht. Ich hab mich, als ich da nach endlosen Stunden im Kampf mit Muecken und dem Gelaende endlich oben war, zwischendurch schon gefragt ob ich richtig bin, aber laut Karte war ich das auch und ich konnte auch immer noch die Zuege unten im Tal hoeren. Ich konnte teilweise nicht mal mehr schieben und musste die Radtaschen separat tragen. Selbst bergab war Schieben nicht moeglich, alle 50 Meter war das Hinterrad durch den Schlamm blockiert. Unangenehm war auch dass ich auf jeder Hand dutzende Mueckstiche kassiert hab, durch die Schieberei. Mueckengel hilft naemlich nicht viel wenn man andauernd in den Matsch langen muss bzw der Regen und der Schweiss es gleich wieder abwaschen. Und der Matsch selber, mit dem ich bald komplett eingesaut war half leider auch nicht. Als ich dann kurz hinter dem Gipfel bzw. dem Funkturm auch noch frische Bearenspuren genau auf meinem schoenen Weg entdeckt habe, hatte ich die Schnauze wirklich voll. Man moege mir nachsehen dass ich nicht mehr die Nerven hatte da auch noch Bilder zu machen die mich sicher weitere 5 Stiche pro Hand gekostet haetten. Bei dem ganzen Dreck wollt ich die Kamera nicht auch noch versauen, aber klar, im Nachhinein aergere ich mich am meisten selber drueber. Naja, ich bin mir sicher dass das nicht die letzten Baerenspuren waren, der Baikalsee, und vor allem das Gebiet danach wimmelt nur so von Baeren.

Unten im Tal treff ich dann auf eine einigermassen befahrbare Schlammpiste, direkt neben der BAM Trasse (auf denen gerade ein alter umgebauter russischer Panzer vorbeifaehrt) und mir wird klar dass ich die falsche Route genommen hab und den Weg fuer die Wartung des Funkturms erwischt hab.

 

Total fertig komme ich ins 2km weiter gelegene Sosnovka, es ist irgendwann Sonntag Nachmittag. Kurz vor dem Ort sammeln mich Gleisarbeiter auf die gerade ihren Kontrollgang machen. Sie laden mich in ihr Haeuschen ein und peppeln mich mit Keksen, Tee und ein paar Wodka liebevoll wieder auf. Ich lerne von ihnen, wie man einer Pferdebremse einen Grasstengel in den Hintern schiebt und dass die dann trotzdem noch weiterfliegen und erfahre ausserdem dass entlang der BAM jeden Kilometer ein kleines Haeuschen steht in dem ich zur Not immer uebernachten kann.

Ich fahre am fruehen Abend weiter Richtung Tareja, in der Hoffnung dass die Strasse besser werden wird. Naja, also sie wurde nicht besser. Zwischenzeitlich war ich uebrigens in einer 30 cm tiefen Fahrspur im Matsch mit meiner rechten vorderen Satteltasche am Rand haengengeblieben und hab einen sauberen Abgang ueber den Lenker gemacht. Wenigstens faellt man weich, aber leider hat die Aktion die Plastikhalterungen der Tasche so stark beschaedigt dass ich sie nicht mehr wirklich fest machen kann. Nachdem ich dann vor Tareja auf die Gleise ausweichen musste um mein Rad darauf zu Schieben, flog die Tasche nach 100m ganz ab und ich musste sie zuruecklassen und die Sachen in meinen 2. Drybag, der auf dem Gepaecktraeger ist, umpacken. Ich hab mich bei dieser Gelegenheit von meinem guten alten Seesack getrennt (also das tat wirklich weh, den hab ich mir erdient!) und ausserdem von ein paar anderen Kleinigkeiten wie dem Autan das die russischen Muecken sowieso nur als neue  exotische Geschmacksrichtung zur Kenntnis genommen haben.

 

Anfangs nimmt man das alles noch mit Humor. Man stellt sich vor man haette den Orginal Kaeptn Blaubaer Wuthelm aufgesetzt der einen Wutanfall in Harvenmusik umwandelt. Aber nach 3 Tagen in denen man sage und schreibe 45km weit gekommen ist, hoert der Spass dann so langsam auf. In meinem Fall war das dann in Tareja. Zumal die Strasse nicht besser zu werden schien. Ich hab mich dann in die Elektritschnaja gesetzt und hab die folgenden 40 km vom Fenster aus staunend bewundert und mich gefreut dass ich in einer halben Stunde 2 weitere Tage eingespart hab. Bratsk ist  nun einen halben Tag entfernt (Asphalt, yeah) und ich goenne mir einen Ruhetag. Nachts steift irgendwas grosses durch den Wald, es knackst und schnauft und macht auch sonst komische Geraeusche. Am naechsten Morgen entecke ich 50m von mir so komische Hufspuren die ich jetzt mal einem Elch zuschreibe.

 

 

Exkurs II: Gore-Tex

Der groesste Witz seit Erfindung des Marketings ist die Atmungsaktivitaet von Gore Tex. Ich schaetz die ist ungefaehr genauso hoch wie die eines Muellsacks. Der einzige Grund warum man Gore Text Klamotten kaufen kann / darf ist die bessere Optik im Verleich zu einem Muellsack. Ausserdem verleiht Gore Tex im direkten Vergleich zum Sack ein eher sportliches Image. Aber das ist dann auch alles. Einen Muellsack muss ich beispielsweise nicht alle Nase lang impregnieren und ich brauch auch kein scheissteures Spezialwaschmittel (das wahrscheinlich sowieso nur aus Seifenblasenwasser besteht). Ich bin von oben bis unten und von vorne bis hinten mit Goretext eingewickelt und ich trage vorschriftsmaessige Funktionsunterwaesche. Meine tollen Gore Tex Schuhe waren nach einer halben Stunde Marschierens (bei Regen und 10 Grad) durch den Schlamm klatschnass. Mein Oberkoerper ebenfalls, auch die Beine und was alles so dazwischenliegt,... hab ich noch was vergessen? Ah, der Kopf war trocken, ich muss fast sagen trotz Gore Tex Hut. Mir ist dabei voellig egal ob ich durch Wasser von aussen oder durch Schwitzen klatschnass werde.. Ich war in jedem Fall immer nass unter diesen Bedingungen.

 

 Image

Bild Sergej + Vater

 

 

Image 

Bild Asphalt

 

 

Image 

Bild Ende der Ausbaustrecke – Schotter

 

 

Image 

Bild Sand

 

 

Image 

Bild Schlamm

 

 

Image 

Bild Flussueberquerung auf der Eisenbahnbruecke

 

 

Image 

Bild Nach der Schlammschlacht

 

 

 

 


11. Juni 2008, vor Taishet

 

 

400 km sibirische Hauptstrasse liegen hinter mir. Insgesamt in gutem Zustand, vielleicht 30 km davon waren Schotterpiste. Die hat dann allerdings auch Schlagloecher in denen ein Auto komplett verschwinden kann. Serpentinen kennt man hier nicht, es passt sich die Strasse den natuerlichen Steigungen an und nicht umgekehrt. Ich durfte natuerlich auch schon die Bekanntschaft mit den hiesigen Viechern machen, aber dazu schreib ich ein anderes mal mehr. Nur kurz zu diesem Thema: alles was hier 2 Fluegel hat oder sich irgendwie anders in der Luft haelt sticht, saugt Blut oder hat eine andere Faehigkeit entwickelt anderen Lebewesen auf die Nerven zu gehen, beispielsweise einem in sonnenverdunkelnden Horden so lange um die Ohren zu fliegen bis man fast wahnsinnig wird.

 

Das Wetter ist fast ein wenig zu heiss, weit ueber 30 Grad und heut warens sogar 35. Mehr als 100 km hab ich im Schnitt die letzten Tage nicht geschafft. Ich fahre zur Zeit einfach nach Stunden und bei mir ist spaetestens nach 6 Stunden Feierabend. Erst mal langsam loslegen und sich langsam an die Belastung gewoehnen... Das Terrain ist ziemlich wellig aber immerhin hab ich meistens Rueckenwind.

Sollte das hier irgendjemand lesen der sich irgendwann mal auf denselben Weg machen will oder zufaellig mal an Kansk vorbeikommt: lasst euch nicht (wie ich) verarschen und die auf  ca. 20 km lange Umfahrung von Kansk lotsen. Die ansteckende Krankheit die in Kansk grassiert (oder wozu sonst diese Riesenumfahrung) sollte man auf jeden Fall mitnehmen 20 km sind immerhin 20 km!

 

Nach 4 Tagen Fahrt mache ich einen Tag Pause (11.Juni), zur Regeneration und weil ich immer noch leichte Magenprobleme hab. Mein erstes richtig ordentliches Gewitter draussen in der Natur war auch ein schoenes Erlebnis. Ich lag nachts im Zelt und ueber mir kaempfte der Wald mit den Sturmboen, schlugen um mich herum die Blitze ein und es donnerte fast unablaessig, wie wenn ein endloser Zug an mir vorbeifahren wuerde. Sehr schoen.

Nach dem Gewitter waren die Temperaturen dann auch wieder normal, endlich muss ich fast sagen. 

 

Exkurs I : Russische Rasthaeuser und Tankstellen

 

Entlang der Haupstrasse (M-53) kommt alle paar km ein “Kofe”, was man bei uns als Rasthaus bezeichnen wuede. Hier ist oft ein kleines Haeuschen, meist an einer Tankstelle, und dort gibt es fast immer was zu Essen, bisher immer in guter Qualitaet. Neben dem “Kofe” steht dann ein Verschlag aus dem es ordentlich rausraucht, das ist dann das Zeichen, dass es Schaschlikspiesse gibt! Ansonsten bekommt man das uebliche russische Essen, probiert hab ich bisher : Borschtsch, Schtschi (Kohlsuppe), Gulasch und eben Schaschlik. Uebrigens hab ich in keinem Restaurant Besteckmesser gesehen. Es gibt immer nur Loeffel und Gabel aus Plastik. Keine Ahnung, vielleicht soll das die Diskussionen unter den Gaesten befrieden. Die Gaeste zuecken auch nicht etwa ihr eigenes Messer, das ist es auch nicht. Hm, wenn ich irgendwann mal Wiener Schnitzel seh werd ich eins bestellen und dann schau ich mal ob ich dann ein Messer bekomme.

Die Tankstelle, bzw. die Kasse ist uebrigens besser gesichert als bei uns die Landeszentralbank. Zumindest macht sie diesen Anschein. Man bezahlt zuerst an der Kasse wenn aus der daran angebrachten Sprechanlage irgendein Rauschen und Knacksen zu vernehmen ist. Dann wirft man ein paar Scheine in eine Schublade und die wandern dann ins vergitterte Nichts. Ich hab da noh nie ein Gesicht hinter den Staeben erkennen koennen, echt nicht. Keine Ahnung wer oder was da sitzt und mein Russisch ist eh viel zu schlecht um das herauszubekommen. ... mit dem Knacksen und Rauschen der Sprechanlage koennte dahinter auch ein bellender Hund sitzen und ich wuerds nicht merken.

           

(... to be continued)

 

 Image

Bild Immerhin noch Asphalt

 

 

Image 

Bild Ausschnitt einer 3km Steigung fuer die ich 1 Stunde gebraucht hab

 

 

Image 

Bild Wieder so einer der mit dem Rad durch Sibirien faehrt

 

 

Image 

Bild Kansker Bezirk

 

 

 

 

 


 

6. Juni 2008, Krasnojarsk

 

 

Ich verlasse Wien am 5. Juni bei stroemendem Regen, sodass der Karton in das ich mein Rad gepackt hab schon nach wenigen Metern aufzuweichen droht. Aber insgesamt laeuft dann doch alles recht problemlos – ich werd am Moskauer Flughafen zwar uebelst abgezockt weil ich unfaehig bin den Transfer von Terminal2 (International) zu Terminal1 (National) mit dem offiziellen Bus zu machen (was auch ziemlich Scheisse gewesen waer mit dem Rad) und stattdessen ein Privattaxi nehm (i give special price). Der special Preis war dermassen gesalzen dass ich mich nicht trau hier zu erwaehnen was ich bezahlt hab... nur soviel: am Anfang wollt er das Dreifache, letztendlich hab ich immer noch soviel bezahlt wie ne Nacht in einem guten Hotel. Aber naja, so ist das halt im wilden Russland.

 

Ganz unwild sondern pedantisch erweist sich der Drachen der mich beim Check-In bzw. der davorgelagerten Gepaeckkontolle abfaengt. Die russische Gepaeckkontrolle sieht naemlich vor dass man alle Gepaeckstuecke durch so nen Scanner laufen laesst wie er bei uns fuers Handgepaeck verwendet wird. Man kann sich vorstellen dass die nicht begeistert waren als ich mit meinem Rad und keinem Wort russisch angeeiert komme. Fast waer das Rad ja nicht mal durch die Tuer gekommen, geschweigen denn durch den Scanner.

Jedenfalls, wegen der Schlampe muss ich alle Radtaschen aufmachen, sie will am Anfang sogar dass ich das Rad komplett aus dem Karton schaele. Das kann ich zwar verhindern, nicht verhindern kann ich aber dass sie meine Fuel-Bottle samt Pumpe in den Muell befoerdert weil die logischerweise nach Benzin stinkt. Selbst das gute Zureden zweier anderer Passagiere, die mit ihr auf russisch diskutieren hilft nix. Jetzt kann ich meinen Kocher nicht mehr benutzen, shit. Keine Ahnung, vielleicht hab ich Glueck und ich find Ersatz, ansonsten wird halt ueber offenem Feuer gekocht. Auf jeden Fall fand ichs sehr nett dass sich wildfremde Menschen fuer mich eingesetzt haben! Und eine kleine Genugtuung war immerhin, dass die Security-Dame beim weiteren Durchsuchen meiner Radtaschen auf Bomben und Aehnliches voll in die am Boden einer Radtasche klebenden Reste eines vor laengerer Zeit ausgelaufenen Aldi-Bio-Gemueseaufstrichs reingelangt hat. (“Sie baden gerade Ihre Haende darin”, hehehe) Der Gesichtsausdruck den sie dabei gemacht hat, ist wirklich unbezahlbar.

 

Am eigentlichen Check In treff ich dann auf Igor, der direkt hinter mir ansteht. Ueberhaupt muss ich sagen dass ich mit meinem Rad ziemlich viel Aufsehen errege. Die Reaktion gehen von Schmunzeln ueber Staunen bis zum Kopfschuetteln. Jedenfalls fragt mich Igor wo ich hinwill, in fliessendem Englisch natuerlich. Es stellt sich raus dass er auch nach Krasnojarsk will und RatzFatz drueckt er mir ein Bier in die Hand.

Igor ist grad auf dem Weg nach Haus, er hat heute seine Diplomarbeit verteidigt, irgendwas mit Logistik. Auch ich freu mich dass er bestanden hat, denn er hat ne ganze Menge Bierdosen dabei. Wir arrangieren es dass wir nebeneinander sitzen koennen und so wird der Flug recht feuchtfroehlich.

Igor kann uebrigens, wie jeder Russe den Satz “Oh, ja, das ist ja fantastisch” in perfektem Deutsch sagen. Diesen Satz hat er, wie alle anderen Russen auch, aus den deutschen Pornos mit denen Russland irgendwann mal ueberschwemmt worden ist. Ich nehme an da ging es nicht ums Wetter als der Satz viel, auf jeden Fall muss ihn erst mal davon ueberzeugen dass Deutschland nicht “Porno-Land”, sondern “Weltmeister der Herzen” ist. Hallo an dieser Stelle an die deutsche Tourismusbehoerde: vielleicht ist mal ne Image-Kampagne speziell fuer den Osten angesagt...

 

Morgens um 5.40 Ortszeit landen wir 4 Stunden nach Strt in Moskau in Krasnojarsk, nach dem steilsten Sinkflug in der Geschichte der Luftfahrt. Ich glaub der Pilot hat Fernsehen (oder deutsche Videos?) geschaut und erst kurz vor K. gemerkt dass runter muss. Dem Igor ist seine Bierdose aus der Hand und 5 Sitzreihen weiter nach vorne geflogen, so steil gings da auf einmal runter.

Praktischerweise wurde Igor von nem Kumpel abgeholt der mit nem Pick Up da war und die beiden haben mich dann direkt ins beste Hotel von Krasnojnojarsk (“Sibir”) verfrachtet. Super, vielen Dank, hat mir 30 km und jede Menge Sucherei gespart. Das Rad stand eine halbe Stunde nach der Landung sauber an einer Tuer neben dem Gepaeckband. Alles voellig problemlos, aber gut, ich hab fuer den Transport auch satte 300 EUR gezahlt (20 kg a 15 EUR!). Eine Nacht in diesem Hotel kostete uebrigens um die 100 EUR, mein Zimmer waren gut und entsprach europaeischen Standard.

 

Abends zeigt mir Igor dann seine Stadt. Es ist die erste russische Stadt die ich zu sehen bekomme und ich muss sagen dass die Hauptstrasse (“Mira”, gibts uebrigens in JEDER Stadt) und der innere Teil der Stadt ganz nett anzusehen ist. Lenin-Denkmal, Stadtgruendungsdenkmal, Hochhausrohbau der nie fertiggestellt wurde, FSB;Zentrale, viele Restaurants alles da wie man sich das so vorstellt. Der Rest der Stadt ist, aeh, nun ja, sagen wir mal man muss deswegen nicht unbedingt hierher kommen. Sibirische Staedte sind meistens eine Ansammlung von Plattenbauten am Rande eines Industriegebiets. Wenn man Glueck hat gibt es einen historischen Kern, der besteht dann aus ein paar alten Holzhuetten aus der Gruendungszeit, meistens Mitte des 17. Jahrhunderts. Oder zumindest sehen die Holzhuetten so alt aus, mein Russisch ist leider viel zu schlecht um da nachzufragen.

 

Am naechsten Morgen gehts dann also richtig los. Auf nach Wladiwostok oder weiss der Geier wo ich rauskomme, wir werden sehen.

 

 Image

Bild Igor

 

 

Image 

Bild Gruender

 

 

Image 

Bild Lenin

 

 

Image 

Bild Krasnojarsk von der Bruecke ueber den Jenissei aus gesehen

 

 
< zurück
Webseiten und Outdoor Links
 

Kanutouren in Skandinavien

Kanutouren in Deutschland, Schwede, Norwegen und Finnland

 

 

Webdesign by Webmedie.dk CMS Ny hjemmeside Webdesign